In der Einfachheit liegt die Würze – Entsagung

Das Wort “Entsagung” jagt uns Schrecken ein. Es wird als Entbehrung verstanden, etwas das wir gerne hätten, uns aber aufgrund gewisser Umstände nicht zu eigen wird.

Im buddhistischen Kontext allerdings verwenden wir das Wort für ein völlig anderes Konzept. Nun, wir sprechen nicht von Konzept. Für uns ist Entsagung eine Grundlage. Ich sehe, ich muss den Begriff näher erläutern.

Im Buddhadharma sprechen wir von Sichtweise, Meditation und Handlung. Diese Trias ist unser Wegweiser genauso wie die direkte Anleitung zu unserer spirituellen Entwicklung, zu unserem eigenen Glück. Keinem samsarischen, punktuellen Glück, sondern dauernder, umfassender Zufriedenheit, die, wenn wir sie mit entsprechendem Einsatz und auch geeigneten Mitteln betreiben, uns auf dem Weg zur Erleuchtung vorantreibt. Unsere drei Turbo Booster sozusagen.

Ich möchte hier auf die Sichtweise eingehen. Ohne Samsara, also dem ewigen Gefangensein in den eigenen störenden Emotionen, zu entsagen, was bedeutet, den festen Entschluss gefasst zu haben, diesem Muster an niemals enden wollenden Aktionen und Reaktionen in Gedanken, Wort und und Werk entwachsen zu wollen, kann unsere sprituelle Praxis, egal, wie grundlegeng oder fortgeschritten sie auch sein mag, uns NIEMALS aus selbigem (Teufels-)kreis herausführen. Wenn wir unsere Leben genauso weiter führen möchten wie bisher, auf nichts und niemanden verzichten und in unserer Freizeit ein bisschen praktizieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass wir uns am Stand drehen. Das ist umso mehr wahr, als dass ich immer öfter jener Menschen ansichtig werde, die Mahamudra, Dzogchen und dergleichen praktizieren, aber haarscharf so weitermachen wie bisher. Und immer wieder kommen mir dabei Menschen zu Gesicht, die offensichtlich “neben der Spur” sind, also wirklich beginnen, “am Rad zu drehen”. Tiefgehende Methoden der Verwandlung anzuwenden ohne der ihnen zugrundelegenden Einstellung kann genau das bewirken. Ähnlich, wie wenn wir uns ein Magenband setzen, um abzunehmen, und dann nur mehr Obers zu uns nehmen und immer verzweifelter werden, weil wir unserem Ziel nicht näher zu kommen scheinen. Den Fall gibt es wirklich!

Äußere Entsagung ist relativ einfach. Wir lassen von den Dingen ab, die unsere Leben unnötig verkomplizieren, um damit mehr Zeit und Raum für spirituelle Praxis zu haben. Anstatt unsere Gedanken um immer größere, neuere und Zweit- sowie Drittautos drehen zu lassen, erfreuen wir uns an einem fahrbaren Untersatz, denn mehr ist so ein Auto eigentlich auch nicht: Ein Fahrzeug, das uns von A nach B bringt. Statt jeglicher Strömung in Sachen Mode, Ernährung, Fitness, die Liste ist beliebig und unendlich fortsetzbar, nachzurennen, erkennen wir unsere tatsächlichen Bedürfnisse, um unsere Leben so ethisch wie möglich bestreiten zu können und sagen uns von unnötigem Ballast los.

Innere Entsagung jedoch packt die Sache bei der Wurzel. Nicht die äußeren Dinge sind die Verführer, sondern einzig und alleine unsere störenden Emotionen. Ein Auto ist wie erwähnt, ein fahrbarer Untersatz, um von A nach B zu gelangen. Kommt aber unsere Gier, unsere Eifersucht, unser Stolz und unsere Anhaftung, etc. ins Spiel, wird der durchdacht zusammen gesetzte Haufen von Metall, Plastik, Glas und soviel mehr zu unserem “Objekt der Begierde”, zu jenem Ziel, das wir erreichen wollen und das, sobald dergleichen geschehen, sofort um das nächst größere Ziel ausgetauscht wird. Unsere Gier ist unermesslich.

Wenn wir innerlich entsagen, dann fassen wir den festen Entschluss, unseren eigenen inhärenten Dämonen Stück für Stück den Boden unter den Füssen zu entziehen. Innere Entsagung allerdings benötigt die äußere als Grundlage! Sie bauen aufeinander auf und wir sollten uns nicht dem Trugschluss hingeben, die äußere Entsagung als Anfänger Übung abzutung und auszulassen.

Entsagung wird also zu jenem freudvollen Entschluss, Verantwortung für sich und all die eigenen Gedanken, Worte und Werke zu übernehmen und zum Wohle aller, nicht nur aller Menschen oder Tiere, oder gewisser Gruppierungen, sondern zum Wohle aller fühlenden Wesen, für deren Glück und Zufriedenheit zu agieren. Ja wirklich, aktiv zu werden. Schöne Worte tun es auch nicht. Soviele Menschen haben Bücher der größten buddhistischen Meister gelesen, Instruktionen der erhabensten Praxis erhalten, aber betreiben all dies von der distanzierten Warte des aufgeklärten Westlers, der sich weigert, die Dinge von Herzen zu betreiben und stattdessen lieber alles und zwar wirklich ausschließlich alles mit dem Intellekt zu tun.

Um dann auch noch zu konkludieren, dass Dharma einfach nicht funktioniert und im besten Falle eine “hehre Idee für Idealisten” ist, man selber aber doch lieber Realist bliebe und sich besser eingestehe, dass die eigenen Neurosen in Wahrheit die besseren Weggefährten, weil bekannte “kalkulierbare” Größen und Einheiten wären.

Wenn wir Dharma praktizieren möchten, können wir das schlichtweg nicht, ohne zu entsagen. Ohne der Erkenntnis, dass nichts so ist wie es scheint und Wahrheit kein äußerlich erwerbbares Gut ist, werden wir wie eine Rennmaus im Hamsterrad mehr oder weniger am Stand rotieren.

Der Entsagung entsprangen ganze Bewegungen: Städte, die auf Radfahrer und den öffentlichen Nahverkehr anstatt exzessiver Bebauung für Autos setzen, die Tiny House Bewegung, in der Menschen ihre großen Häuser verkaufen, um fortan in Micro Häusern zu leben, Urban gardening und so viel mehr. Entsagung ist sozial verträglich, umweltschonend und nachhaltig.

Entsagung ist wunderbar. Es ist unsere Chance auf Fülle . Ein Jungbrunnnen wahrer Freude.

In der Einfachheit liegt die Würze. In Gedanken, Worten und Werken.

Chöje Lama Palmo